Vom Reformkatholiken zum Nationalsozialisten: Der interessante Fall des Martin Spahn

Hier geht es nicht um Jens Spahn, der mir zugegebenermaßen regelrecht Angst macht, indem er den Gesundheitsfetisch des modernen Bürgers hemmungslos machtpolitisch ausbeutet, sondern um einen älteren Spahn:

Johann Martin Adolf Spahn (* 7. März 1875 in Marienburg; † 12. Mai 1945 in Seewalchen am Attersee) war ein deutscher Historiker, Politiker (Zentrum, DNVP, NSDAP) und Publizist. In der Weimarer Republik wandelte er sich vom Reformkatholiken erst zum nationalkonservativen Rechtskatholiken und schließlich zum Nationalsozialisten.

Spahn saß von 1908 bis 1918 im Straßburger Gemeinderat, seit 1912 für das Zentrum. Von 1910 bis 1912 war er Reichstagsabgeordneter für diese katholisch geprägte Partei. Spahn wird zu den Reformkatholiken gerechnet, die nach dem Kulturkampf im Gegensatz zu den Ultramontanen den Anschluss der Katholiken an das protestantisch geprägte Reich auf wissenschaftlichem und kulturellem Gebiet anstrebten. Anfang der 1930er Jahre setzte Spahn sich dafür ein, dass der Katholizismus die Nationalsozialisten akzeptierte. Dazu gehörte auch, dass er als Mitglied der Studentenverbindung Askania dafür sorgte, dass der Unvereinbarkeitsbeschluss für die Mitglieder des KV mit der Mitgliedschaft in der NSDAP außer Kraft gesetzt wurde. Nach der Machtübernahme durch Hitler und die NSDAP trat er am 12. Juni 1933 der NSDAP bei, für die er bis Kriegsende im Reichstag saß.

Martin Spahn wurde 1901 auf spektakuläre Art durch den so genannten „Fall Spahn“ bekannt. Es ging um seine Berufung an die Universität Straßburg. Spahns Ernennung durch unmittelbare Intervention Kaiser Wilhelms II. fand ein außergewöhnlich starkes Echo in der Presse. Der Münchener Wirtschaftswissenschaftler Lujo Brentano hatte zuvor eine Protestaktion aller liberalprotestantischen Professoren gegen Spahns Berufung initiiert. Hinter Spahns Berufung verbargen sich aber auch politische Motive der Reichsleitung: Sie wollte an der Universität Straßburg eine eigene katholisch-theologische Fakultät errichten, um die Ausbildung der katholischen Theologen, die bislang vom bischöflichen Seminar durchgeführt wurde, unter ihre Kontrolle zu bringen. Es hieß, Spahn sei ein gemäßigter Katholik und deswegen der richtige Kandidat für die neue Stelle. Die Reichsleitung zielte beim „Fall Spahn“ auf eine Integration der deutschen Katholiken ab, allerdings, um Kontrolle über sie ausüben zu können.

Diese bemerkenswerte Kontinuität deutscher Politik ist erkennbar keine gute Sache für das Katholischsein der Kirche in Deutschland.

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